Studie: Breite Zustimmung zu Medizinalhanf

In einer repräsentativen Befragung wurden 2017 erstmals Wissen und Einstellung der Bevölkerung zu Medizinalhanf erhoben. Fazit: Es gibt breite Zustimmung zu einer Legalisierung von Medizinalhanf, wenn Abgabe und Verschreibung in das Gesundheitssystem eingebunden werden. 

Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

  • Es gibt einen sehr guten Kenntnisstand unter der Bevölkerung, aber Nachholbedarf beim Informationsaustausch zwischen Patienten und Ärzten sowie Apothekern.
  • Vor allem die schmerzstillende und krampflösende Wirkung ist gut bekannt, gefolgt von Cannabis als Mittel gegen Depressionen sowie der entzündungshemmenden und appetitanregenden Wirkung.
  • Die Bereitschaft, Medizinalhanf zuzulassen, ist hoch – sofern Ärzte und Apotheken die Kontrollhoheit haben. 
  • Generelle Cannabis-Legalisierung, Eigenanbau zu medizinischen Zwecken und Kauf ohne Rezept in Hanfshops werden von der Bevölkerung strikt abgelehnt. 

Das Medieninteresse bei der Studienpräsentation am 26. September 2017 war enorm und zeigt, das Thema Medizinalhanf ist nicht nur bei der Bevölkerung angekommen, sondern ruft mittlerweile ein breites, mediales Interesse hervor. Kurier, Der Standard, die Presse, Wiener Zeitung, heute, Krone TV, Puls 4; Hanf Magazin (http://www.hanf-magazin.com/politik/oesterreich/oesterreich-weiss-es-und-will-es/) und die ORF Sendung „Mittag in Österreich“ haben ausführlich berichtet. 

„Die Bevölkerung ist überraschend gut über das Thema Medizinalhanf informiert – allerdings nur vier Prozent der Befragten durch Ärzte und Apotheker. Hier gibt es Gesprächsbedarf, denn die Bevölkerung ist klar dafür, dass medizinisches Cannabis nur unter ärztlicher Verschreibung und auf Rezept in Apotheken erhältlich sein soll“, sagt Studienautor Peter Hajek zu Beginn der Präsentation.

Der Meinungsforscher hat nun eine der wenigen repräsentativen Studien über Wissen und Einstellung der Bevölkerung zu Medizinalhanf vorgelegt. 1.000 Befragte ab 16 Jahren wurden in einem Methodenmix (Telefon und Online) zu ihrem Wissensstand und ihrer Einstellung befragt. Die maximale Schwankungsbreite beträgt +/- 3,1 Prozent, die Studie wurde von der Flowery Field GmbH (https://www.floweryfield.com) und der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin (http://www.cannabismedizin.at) beauftragt.

Die wichtigsten Zahlen zum Wissensstand:

  • 77 Prozent der Befragten ist der Begriff medizinisches Cannabis bekannt, überdurchschnittlich bekannt ist Medizinalhanf bei Befragten mit Schmerzpatienten im persönlichen Umfeld (83 Prozent).
  • Bei der spontanen Assoziation (Mehrfachnennungen möglich) zum Thema Cannabis überwiegen mit 72 Prozent die Positivnennungen (medizinische Wirkung, Schmerzlinderung etc.), 24 Prozent sind neutral und 50 Prozent negativ (Droge, Sucht etc.).
  • Unter den bekannten Wirkungen von Medizinalhanf dominiert mit 86 Prozent schmerzstillend, gefolgt von krampflösend (62 Prozent), Mittel gegen Depressionen (48 Prozent), entzündungshemmend (43 Prozent) und appetitanregend (39 Prozent). Weniger bekannt ist die übelkeitshemmende Wirkung (24 Prozent).
  • Bei der spontanen Nennung, wie medizinisches Cannabis eingenommen werden kann, liegt die Verabreichungsform als Tropfen (39 Prozent) vor der rauchenden Einnahme (35 Prozent).


„Die gestützte Bekanntheit von Medizinalhanf ist hoch, rund drei Viertel können mit dem Begriff etwas anfangen. Interessant ist, dass bei der spontanen Assoziation die Positivnennungen deutlich überwiegen. Wir haben keine Vergleichsdaten, aber dieser Wert ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass Cannabis in Österreich seit sechzig Jahren gesetzlich Heroin gleichgestellt und denselben Einschränkungen unterworfen ist“, sagt Hajek. 

Die wichtigsten Zahlen zur Einstellung:

  • 61 Prozent sprechen sich dafür aus, dass medizinisches Cannabis nur unter ärztlicher Verschreibung und Anwendung erhältlich sein soll.
  • 59 Prozent sind dafür, dass medizinisches Cannabis nur auf Rezept in Apotheken erhältlich sein soll.
  • Eindeutig fällt die Ablehnung einer generellen Legalisierung ab 21 Jahren aus (64 Prozent), eines Rechts auf Eigenanbau zu medizinischen Zwecken (68 Prozent) und von Medizinalhanf ohne Rezept in Hanfshops (73 Prozent).
  • Cannabisblüten auf Kassenkosten wie in Deutschland bejahen 40 Prozent unbedingt und 33 Prozent eher. Hohe Zustimmung gibt es bei Befragten mit Schmerzpatienten in ihrem persönlichen Umfeld (56 Prozent).
  • Der Anwendung von Cannabis in Alten- und Pflegeheimen wie etwa in Kalifornien stimmen 66 Prozent der Befragten zu. 
  • 55 Prozent der Befragten präferieren medizinisches Cannabis, sofern vom Arzt verschrieben, gegenüber klassischen Medikamenten (30 Prozent). Auch hier ist die Präferenz für Medizinalhanf unter Befragten mit Schmerzpatienten im persönlichen Umfeld mit 63 Prozent besonders hoch.


„Die Bereitschaft, Medizinalhanf zuzulassen, ist hoch – sofern Ärzte und Apotheken die Kontrollhoheit haben. Generelle Cannabis-Legalisierung, Eigenanbau zu medizinischen Zwecken und Kauf ohne Rezept in Hanfshops werden strikt abgelehnt. Hier ist die Bevölkerung sehr klar. Die Befragten trennen sehr strikt zwischen medizinischem Nutzen unter ärztlicher Anleitung und dem Übergang zum möglichen nichtmedizinischen Konsum unter dem Deckmantel Medizinalhanf“, so Hajek.

Auch die Erfahrung mit Medizinalhanf wurde erhoben. Innerhalb der Stichprobe gab es 22 Prozent chronische Schmerzpatienten (220 Befragte) und 17 Prozent, die Schmerzpatienten in ihrem Umfeld kennen. 

Die wichtigsten Zahlen zum Thema Erfahrung:

  • Knapp jeder zehnte Befragte hat Menschen in seinem Umfeld, die bereits unter ärztlicher Aufsicht mit medizinischem Cannabis behandelt wurden. 65 Prozent bezeichnen den Behandlungserfolg als sehr gut und 29 Prozent als eher gut.
  • 2 Prozent der Befragten, also hochgerechnet rund 60.000 bis 150.000 Menschen, haben in Österreich bereits medizinisches Cannabis eingenommen. 
  • Nur 4 Prozent der Befragten haben bisher Informationen über medizinisches Cannabis von Arzt oder Apotheker erhalten.


„Alles in allem besteht vonseiten der Bevölkerung ein hohes Involvement zum Thema Medizinalhanf. Es gibt einen sehr guten Kenntnisstand unter der Bevölkerung, aber Nachholbedarf beim Informationsaustausch zwischen Patienten und Ärzten sowie Apothekern“, sagt Hajek.

Bevölkerung weiter als Politik und Gesundheitsvertreter

An diesem Punkt hakt auch der Allgemeinmediziner und Gründer der Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin, Kurt Blaas, im Rahmen der Studienpräsentation ein: „Die Ergebnisse bestätigen meinen Eindruck im Gespräch mit Patienten. Als Arzt erlebe ich großes Interesse und gut informierte Patienten, die sich in unserem Gesundheitssystem nicht gut behandelt fühlen, denn die Informationsdefizite, gesetzlichen Hürden und bürokratischen Schikanen sind enorm.“ 

Cannabis ist im Suchtmittelgesetz geregelt. 

Die Rezepturen des Wirkstoff THC (Tetrahydrocannabinol) können von Fachärzten und Allgemeinmedizinern verschrieben werden und direkt als Privatrezept in der Apotheke eingelöst werden. Eine chefärztliche Genehmigung ist dann erforderlich, wenn die Kosten für das Medikament von den Krankenkassen getragen werden sollen. Dokumentiert werden muss, dass alle anderen konventionellen Therapien zu keiner Besserung geführt haben. Und das, obwohl durch klinische Studien bereits die Wirkung von THC als Schmerzmittel, Antiepileptikum und Appetitanreger sowie als onkologisches Präparat zur Krebsbegleittherapie belegt ist. 

Synthetisches Cannabisangebot dominiert

Aktuell stehen den Patienten in Österreich drei überwiegend synthetische Cannabinoid-Präparate zur Verfügung: Dronabinol (http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Dronabinol) als magistrale Zubereitung von pflanzlichem oder synthetisch hergestelltem THC; das synthetische Cannabinoid Nabilone (https://de.wikipedia.org/wiki/Nabilon); und Sativex (http://www.pharmawiki.ch/wiki/index.php?wiki=Cannabis-Mundspray), eine Mischung aus synthetischem THC und CBD. Diese Produkte sind aber nicht leistbar. Beim Cannabismedikament Dronabinol werden derzeit nur rund 20 bis 30 Prozent der Kosten von den Krankenkassen ersetzt – für viele Patienten unerschwinglich.

Natürliche Cannabinoide wirken besser

Das synthetische und halbsynthetische Angebot schränkt die ärztliche Wahlfreiheit ein, denn natürliche Cannabinoide in Form der Cannabisblüte sowie Extrakte daraus sind illegal. Synthetische Cannabinoide haben aber den Nachteil, dass darin alle anderen potenziell wirksamen Cannabinoide verloren gehen. In Studien wurde auch gezeigt, das natürliche Cannabinoide von den Patienten besser vertragen werden.

„Wir brauchen eine Gesetzgebung, die Patienten nicht länger kriminalisiert. So wie in Deutschland sollen auch in Österreich die Cannabisblüte sowie standardisierte pflanzliche Extrakte in der Apotheke erhältlich sein. Aber ohne Spießrutenlauf, sondern auf Rezept und unter ärztlicher Anwendung auf Kassenkosten. Schafft der Gesetzgeber kein qualitätsgeprüftes legales Angebot, springen Schwarzmarkt und Quacksalber ein“, sagt Blaas.

Lesch: Brauchen Aufklärung und klinische Studien

Für ein breiteres Angebot und eine neue Gesetzeslage spricht sich auch Otto Lesch, Professor und Facharzt an der Wiener Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie (https://psychiatrie.meduniwien.ac.at) sowie Präsident der Österreichischen Gesellschaft für Suchtmedizin, aus. Er konnte in seinen Studien die These widerlegen, dass Cannabis eine Einstiegsdroge für härtere Drogen ist. Entgegen dem Vorurteil, löst Cannabis in medizinischem Gebrauch und in der vom Arzt vorgeschlagenen Dosierung auch praktisch keine Psychosen aus.

Fakt ist, dass nur Menschen mit einer Prädisposition zu psychischen Erkrankungen davon betroffen sein können. Wird Cannabis in therapeutischer Dosierung eingenommen, werden keine physiologischen Funktionen gestört oder Organe geschädigt. Der Suchtgiftexperte (https://www.youtube.com/watch?v=xLA9F6zzhe0) wünscht sich vor allem Information und Aufklärung auch unter der Ärzteschaft und plädiert für klinische Studien, um die medizinische Indikation der einzelnen Substanzen der Cannabispflanze zu erforschen.

„Die Cannabispflanze ist eine wahre Chemiefabrik – aber mit nur marginalen Nebenwirkungen. Sie ist kein Allheilmittel, aber potenziell dort sehr wirksam, wo konventionelle Therapien versagen, und eine echte Alternative zum Einsatz von Opiaten. Es liegt jetzt am Gesetzgeber, Hürden wie chefärztliche Genehmigung und Suchtgiftrezept zu beseitigen und Cannabis im Arzneimittelgesetz zu regeln. An einer Legalisierung von Medizinalhanf führt kein Weg vorbei“, sagt Lesch am Ende der Studienpräsentation.

Weitere repräsentative Studien sind geplant und werden in den nächsten Monaten publiziert und vorgestellt. Der Deutsche Hanfverband (https://hanfverband.de/nachrichten/pressemitteilungen/umfrage-mehrheit-fuer-entkriminalisierung-von-cannabiskonsumenten) hat ebenfalls im Herbst 2017 eine Umfrage veröffentlicht, die eine Zustimmung zu einem legalen Cannabishandel ergab.